Die Namen
auf -heim

Daheim im südwestlichen Hessen

Die Siedlungsnamen auf -heim sind im südwestlichen Hessen reichlich vertreten. Ihr Entstehen wird gemeinhin in die erste Zeit nach der Landnahme gelegt, wenn auch später noch Siedlungsnamen mit diesem Grundwort gebildet wurden. In jüngster Zeit sind die -heim-Namen wieder verstärkt den Franken zugewiesen worden, nachdem die Ausschließlichkeit der ARNOLDSCHEN Verknüpfung -heim/Franken und -ingen/Alemannen relativiert worden war. Beide Mittel der Namenbildung sind als gemeingermanisch erkannt.{1} BACH (DNK Bd.2, §581) geht davon aus, daß -ingen in gemeingermanischer Zeit die Bezeichnung für Siedlungen schlechthin war. -heim sei dagegen höchstens in gelegentlichem Gebrauch gewesen.

Nach BACH kann das Fränkische der -heim-Namen kein allgemeines Gesetz sein. Denn in Bayern, wo der Typ besonders dicht gesät ist, dürften die -heim schon vor der fränkischen Herrschaft existiert haben - und es spreche auch nichts dafür, daß sie Herrensiedlungen darstellten.

BACH zitiert E.SCHWARZ:

"An fränk. Einfluß darf in Bayern nicht gedacht werden." Dieser Satz gilt jedoch wohl nur für die Annahme fränk. Siedlungen in Bayern, aber nicht für eine sprachliche Beeinflussung Bayerns von den Franken her. (DNK Bd.2, §584.2)
[Allerdings:]
Für Hessen und seine südl. Nachbarschaft hat die Lehre von der fränk. Herkunft der -heim-Orte neuerdings in E.E.STENGEL einen Vertreter gefunden. Mit Recht hält er die rhein-main. -heim um Speyer und Mainz und an der Mainlinie von Mainz bis über Würzburg hinaus für fränk. Bollwerke, fränk. Militärkolonien [...] STENGEL denkt hier an fränk. Siedlung, obwohl sicherlich mit "Strahlungen" im rein sprachlichen Sinn [..] gerechnet werden darf, [..] (DNK Bd.2, §584.3)

Auch DEBUS (1968, S.46-50) betont einen engen Zusammenhang zwischen -heim-Ortsnamen und fränkischer Herrschaft. GOCKEL schreibt:

[personennamenbezogene -heim-Namen] .., stellen ohne jeden Zweifel einen unmittelbaren Niederschlag der fränkischen Landnahme um die Mitte des ersten Jahrtausends dar. In Althessen dürften die -heim-Orte etwas jünger sein, wobei auch hier für den gröten Teil von ihnen eine Entstehung unter unmittelbarem fränkischen Einfluß anzunehmen, unter Umständen sogar an eine direkte Ansiedlung von Franken unter zentraler Lenkung zu denken ist. (1984a, S.187){2}

Im vorliegenden Untersuchungsmaterial machen die -heim-Namen mit 148 Vertretern einen großen und wichtigen Teil der Ortsnamenlandschaft Hessens aus. Das Grundwort dieser Siedlungsnamen, ahd. mhd. heim 'Heimat, Wohnort, Dorf, Haus' (DNK Bd.2, §581; REICHARDT 1973, S.45), scheint in zwei Fällen sekundär ein anderes ersetzt zu haben{3}. Einmal wechselt -heim mit -stein (Astheim).

Der Norden fehlt

BACH faßt zusammen: "Die überwiegende Mehrzahl der ON auf -heim ist mit PN im BW gebildet, .." (DNK II, §582). Unter den Bestimmungswörtern im Untersuchungsmaterial übertreffen die Personennamen mit 81 Belegen die Appellative (60 Namen) nur ein wenig. Dabei wirken die appellativischen Bildungen in gewisser Weise schematisch.{4} Bei den Bezeichnungen nach der Himmelsrichtung treten Osten (4), Süden (2) und Westen (2) auf - der Norden fehlt. Weitere Bestimmungsglieder sind rot (4), Stock (2) und Stein (2), neu (3), Mühle (2), Holz (3), hoch (2), berg (3) und Bischof (3). Über die Hälfte der appellativischen - heim-Namen sind damit beschrieben.

Die mit Himmelsrichtungen verbundenen Namen sind von BETHGE (1914/15) als auf fränkisches Königsgut hin orientierte Siedlungsnamen beschrieben worden. Mit dieser These hat sich SCHUH im Rahmen des Erlanger Ortsnamenkolloquiums auseinandergesetzt. Er kommt zu dem Schluß, daß diese Darstellung keine Allgemeingültigkeit für sich in Anspruch nehmen kann:

Es soll nicht bestritten werden, daß es Fälle geben mag, in denen orientierte -heim-Namen auf fränkische Herrschaft beziehungsweise Siedlungstätigkeit zurückgeführt werden können. Nur darf man daraus meines Erachtens kein Gesetz ableiten wollen; [..] (SCHUH 1980, S.47 Anm.65)

Auch einige Personennamen sind mehrfach zur Bildung von Siedlungsnamen verwandt worden. Während *Huchilo dreimal vorkommt (Heuchelheim), treten Giso (Geisenheim, +Gysenheim) und Masso (Massenheim) jeweils doppelt auf. Ein beachtlicher Teil der Personennamen als BW von -heim-Namen ist eingliedrig oder weist eine Koseform auf.

Scharenweise an Rhein und Main

Sehr deutlich ist die landschaftliche Staffelung der -heim-Namen ausgeprägt (Karte Nr.16). Sie reihen sich in hellen Scharen entlang von Rhein und Main. Signifikant häufig sind sie an der Bergstraße, in der Hessischen Rheinebene, im Main-Taunus Vorland, in der Nördlichen Oberrhein-Niederung, im Ronneburger Hügelland, in der Untermain Ebene und in der Wetterau{5}.(vgl. Karte).

Als Gebiete mit signifikant wenigen -heim-Namen erweisen sich in der geographischen Statistik das Fulda-Haune-Tafelland, die Fuldaer Senke, das Untere Werratal sowie die Vorder- und Kuppenrhön.

In den nördlichen Gebieten sind die -heim-Namen möglicherweise als Nachzügler zu deuten.

Ersterwähnung von Namen auf -heim bis zum Jahr 1200

8. Jh9. Jh10. Jh11. Jh12. Jh
Anzahl702271930
Wahrscheinlichkeit

des Auftretens (Z-Wert)

8,31,3-1,5-2-4,1

Die Analyse der Erstbelegdaten stöt bei den -heim - ebenso wie bei -dorf, -ingen, -apa und -stat - auf folgende Problematik: Diese Typen sind im achten und neunten Jahrhundert derart überrepräsentiert, daß sie ebensogut aus der angegebenen wie aus einer früheren Zeit stammen können.{6}

Es steht also auch nach der vorliegenden Untersuchung außer Frage, daß die Namen auf -heim einer frühen Periode der systematischen Siedlung zuzuordnen sind. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß die Zeitstatistik der -heim-Namen ab dem 11. Jahrhundert negative Signifikanzen aufweist.

Die insgesamt sechs -ingheim (vgl. DNK Bd.2, §582) sind - jedenfalls rein rechnerisch - im Amöneburger Becken und in der Wetterau von besonderer Häufigkeit. Indes verbietet sich aufgrund der wenigen Belege eine Wertung dieser Beobachtung (vgl. DEBUS 1968, S.47f; DNF Bd.2, §43).


{1} Daß stammheitliche Beschränkungen weder bei -heim und -ingen, noch bei anderen Massentypen gültig waren, betont Schwarz (DNF Bd.2, §40). (zurück zum Text)

{2} Zu den -heim-Namen in Ostfranken vgl. Schuh (1980, S.33-48). Eine Untersuchung nordwestdeutscher -heim-Namen hat Dieter Rosenthal (1979) vorgelegt. Er legt ihre Entstehungszeit in der Hildesheimer Börde zwischen das 3. und 10. Jahrhundert. (zurück zum Text)

{3} Radheim; Windelsen erscheint als "Windilisheim" (997-1107 C 14.Jh.), könnte aber ursprünglich auch mit -husun gebildet worden sein, das zu -sen verschliffen wurde. In den Belegen für Geinsheim taucht die Schreibung "Gense" auf, die wohl nur ein Schreiberfehler ist. Als Ausnahmeschreibung dürfte auch "Bruningen" für Preungesheim anzusehen sein. Ebenso scheint die Situation bei +Westheim, das 1123 als "Westen", 1146 jedoch als "Westheim" erscheint. (zurück zum Text)

{4} Nach DNK gehören PN-bestimmte -heim in die Zeit gleich nach der Landnahme. Als jüngere und "wohl unter fränk. Einfluß entstandene Anlagen werden [...] die Gruppen sichtlich aufeinander abgestimmter Namen wie Nord-, Süd-, West-, Ostheim, Berg-, Talheim, Mühl- Kirchheim usw. angesprochen, die in der Nähe von Königsgut liegen" (Bd.2, §584.1).(zurück zum Text)

{5} Nach Bach lagern sich die -heim-Namen ".. in der urzeitlichen Siedlungslandschaft" (DNK II, §583). Sie entsprechen damit insgesamt der Verbreitung der -ingen-Namen. Neuere Arbeiten von Seiten der Geschichtswissenschaft, die insbesondere auch den -heim-Namen gelten, sind Staab (1975) und Steen (1979). Vgl. dazu auch Metzner (1984) und Gockel (1984b).(zurück zum Text)

{6} "Bildungen mit appellativ. BW sind im dt. Süden im allgemeinen jünger [....] Vereinzelt vorkommende -heim-Namen haben in der Regel keinen PN im BW [..] Je umfangreicher die Gruppen der -heim-Namen sind, desto ausschließlicher sind diese mit PN gebildet [..]" (DNK Bd.2, §582). Vgl. DNF Bd.2, §44; Staab (1975, S.234f, 238).(zurück zum Text)