Frühe Namentypen

Späte Namentypen

-hausen

-stat

-feld

-brunnen

Wasserwörter

Naturräume

Typische Ortsnamen

... nennt man Ortsnamen, die auf dieselben Endungen oder Grundwörter lauten. Sie gehören in der Regel geschichtlich und geographisch zusammen, lassen auf eine bestimmte Siedlungsepoche, auf Bevölkerungsgruppen, rechtliche Hintergründe oder schlicht eine Namen-Mode schließen. Etwa 75 Prozent aller deutschen Siedlungsnamen gehören solchen Typen an.

Wie sich Namentypen zeitlich und räumlich entfalten

Siedlungsnamen, die auf die Tätigkeit des Menschen bezug nehmen, bezeichnete BACH (DNK Bd.2, §1) als Kulturnamen. Ihnen galt seine besondere Aufmerksamkeit unter den Gesichtspunkten von räumlicher und zeitlicher Staffelung. Das in der vorliegenden Arbeit untersuchte Namenmaterial, bzw. die daraus abgeleiteten statistischen Ergebnisse bestätigen die Dominanz dieser Typen. Nur die Naturnamen -apa und -brunnen sind siginifikant, ansonsten weisen ausschließlich Kulturnamen Signifikanzen auf.

Die Siedlungsnamen auf -hausen, -dorf, -heim, -ingheim, - ingen, -stat, -hagen und -rode bilden signifikante Gruppen in bezug auf die Erstbelegzeiten und auf die räumliche Verbreitung. Die Namen auf -inghausen und -sen (Nebentypen von -hausen) sowie die genitivischen Namen treten zwar in der zeitlichen Schichtung nicht positiv signifikant hervor, stellen sich jedoch auf der Verbreitungskarte als räumlich scharf begrenzte Typen dar. Allein die Namen auf -burg sind weder zeitlich noch räumlich klar fixiert.

Die statistische Untersuchung hat zu einer Unterscheidung von frühen und späten Siedlungsnamentypen in Hessen geführt. Sowohl für den Beginn der Überlieferung im achten Jahrhundert wie für das Ende des Untersuchungszeitraums im zwölften Jahrhundert läßt sich daher die Struktur der Namenlandschaft recht genau beschreiben. Die Karten "Frühe Typen" und "Späte Typen" zeigen diese Strukturen.

Frühe Typen von Siedlungsnamen

Zu den frühen Siedlungsnamen, die bereits für das achte Jahrhundert signifikant sind, gehören -heim, -ingen, -dorf und -stat als primäre Typen sowie -apa als Stellenbezeichnung. Das Kartenbild ("Frühe Typen") zeigt eine starke Massierung der Belege entlang von Rhein und Main sowie in der Wetterau. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um Siedlungsnamen auf -heim und -stat. Namen auf -ingen finden sich am östlichen und nördlichen Rand dieses geschlossenen Verbreitungsgebietes. Der Westen stellt sich als ein Gebiet von -dorf-Namen vor, die meist in Gruppen von zwei bis zehn Vertretern recht dicht beisammen liegen. Diese Art der Verbreitung setzt sich nach Osten hin fort. Nur selten finden sich Siedlungsnamen auf -dorf in der Wetterau oder gar weiter nach Süden. Im Norden bilden rund zehn - heim-Orte eine Art von Kolonie - in einigem Abstand begleitet von Siedlungen auf -ingen.

Die Stellenbezeichnungen auf -apa scheinen von Nordwesten in das Untersuchungsgebiet einzustrahlen. Ihre Verbreitung erreicht fast die östliche Grenze Hessens, stoppt jedoch vor den Gebieten massierten Auftretens der Orte auf -heim, -stat und -ingen. Generell gilt für Namen dieses Typs, daß sie eher vereinzelt auftreten und sich auf Räume von geringer Siedlungsdichte beschränken (vgl. C).

-stat und -feld im neunten Jahrhundert

Im neunten Jahrhundert sind nur -stat und -feld signifikant häufig. Die Gesamtverbreitung dieser beiden Typen zeigt, daß sich -stat im südwestlichen Bereich konzentriert, während -feld vor allem dem Nordosten zuzuordnen ist.

-hausen beherrscht das zehnte Jahrhundert

Das zehnte Jahrhundert ist - mit Ausnahme der wenigen Belege auf -ingheim - ausschließlich von den Namen auf -hausen dominiert. Die Verbreitungskarte (Namen auf -hausen) dieses Typs zeigt das Verbreitungsbild.

-brunnen im elften Jahrhundert

Das elfte Jahrhundert weist nur für die -brunnen-Namen eine signifikante Häufung auf (vgl. Karte "-brunnen").

Die späten Typen von Siedlungsnamen

Ein nahezu komplementäres Bild zur Verbreitung der typischen Siedlungsnamen im achten Jahrhundert zeigt die Karte der späten Typen -hausen, -rode, -hagen und -berg. Hatten diese insbesondere den Süden und Westen bevölkert, bedecken jene nun den Norden und Nordosten. Die genitivischen Namen gehören prinzipiell ebenfalls in dieses Bild, sind aber aufgrund ihrer Belegdaten statistisch nicht signifikant. Ihre Verbreitung ist im betreffenden Namenkapitel kartiert.

Während -hagen und -berg kaum eine räumliche Gliederung aufweisen, bilden die Siedlungsnamen auf -hausen und -rode deutlich abgegrenzte Typenlandschaften. Indes sind beide untereinander nicht überall säuberlich geschieden. Offenbar, das legt jedenfalls das Kartenbild nahe, sind späte -hausen in den gleichen Gebieten anzutreffen, wie die Namen auf -rode. Dazu paßt auch die Tatsache, daß die -hausen bereits im zehnten Jahrhundert bezüglich ihrer Belegzeiten statistisch signifikant sind, während -rode erst im zwölften Jahrhundert signifikant in Erscheinung tritt.

Wasserwörter als Zweitglieder typischer Siedlungsnamen

Die Gruppe der Naturnamen tritt - mit Ausnahme der Bildungen auf -bach - bei weitem nicht so dominant in den Vordergrund wie die der Kulturnamen. Bemerkenswert ist dabei, daß von den sechs hier untersuchten Grundwortgruppen fünf durch Wasserwörter gebildet werden. Namen auf -apa, -aha, -bach, -brunnen und -ouwa stellen den Löwenanteil der häufigen Naturnamen in Hessen. In der Altersstatistik hat sich unter diesen nur für -apa (8. Jahrhundert) und -brunnen (11. Jahrhundert) eine zeitliche Signifikanz feststellen lassen.

Die Wasserwörter sind deshalb Thema einer weiteren Karte. Sie macht zunächst einmal deutlich, daß -bach praktisch an jedem Ort in Hessen im Siedlungsnamenschatz enthalten ist. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß diese Namen allerdings die alten Siedlungszentren auslassen oder sich an ihrem Rand erst ausbreiten. Dies wird insbesondere dort deutlich, wo sich die Namen auf -hausen, -heim und zum Teil auch die genitivischen Siedlungsnamen in dichter Staffelung befinden.

Es ist nun jedoch keineswegs so, daß die vermutlich älteren Namen auf -apa und -aha in diesen Gebieten die -bach-Namen ersetzen. Vielmehr befinden sich auch diese Typen eher in dünn besiedeltem Gebiet oder am Rand der Altsiedellandschaften.

Die -apa und -aha bilden in gewisser Weise ein räumliches Oppositionspaar. Während die -apa Namen scheinbar von Nordwesten in das Untersuchungsgebiet eindringen, liegt der Schwerpunkt der -aha eher im Osten bis Südosten. Eine recht breite Überlappungszone beider Typen zieht sich vom Südwesten zum Nordosten Hessens.

Im großen und ganzen räumlich kaum differenziert zeigen sich die Namen auf -brunnen und -ouwa. Sie sind annähernd gleichmäig über ganz Hessen verteilt. Allein der nördliche Zipfel Hessens bleibt von ihnen unberührt.

Die Siedlungsnamen Hessens im 8. bis 12. Jahrhundert

Vier Typen von Siedlungsnamen beherrschen im Jahre 1200 die Landschaften im Gebiet des heutigen Landes Hessen. Es sind die - hausen-Namen im Norden, die -heim-Namen im Süden, die genitivischen im Osten und die -bach-Namen im Westen. Während bei den primären Siedlungsnamen die Gebietsbildung einheitlich ist, tauchen Landschaften mit vorherrschendem -bach auf den ersten Blick wahllos im Untersuchungsgebiet auf. Die Sache klärt sich rasch, wenn man auf die natürliche Ausstattung der -bach-Landschaften achtet. Es sind im wesentlichen Wälder und Gebirge. In den fruchtbaren Niederungen zeigt sich dagegen in aller Regel das Vorherrschen der Namen, die direkt auf menschliche Siedlung verweisen.

Die Lagerung Genetivischer Namen im Vordertaunus steht der erwähnten allgemeinen Tendenz entgegen. Das erklärt sich aus der geringen Belegortdichte.

Im übrigen treten an den Rändern der großen -hausen- und -heim-Gebiete Mischzonen auf. So mischen sich -hausen und -bach im Ringgau, dem Fulda-Haune Tafelland, dem Vorderen und Hohen Vogelsberg sowie dem Gladenbacher Bergland, Limburger Becken und Rheingau.

Mit -heim mischt sich -bach im Main-Taunus Vorland und im Sandstein-Odenwald. Die -hausen und die -heim treffen im Marburg-Gießener Lahntal aufeinander. Neben den vorherrschenden Namentypen sind im -hausen-Gebiet die Nebenformen -inghausen und -sen im Nordwesten häufig. Auch -ingen und -feld gehören hier zu den üblichen Formen. In der Westhessischen Senke hat sich das Grundwort -dorf einen wichtigen Anteil gesichert. Das Grundwort -rode ist im gesamten nordöstlichen Teil recht häufig belegt.

Die -heim-Namen teilen sich in der hessischen Rheinebene ihre vorherrschende Stellung mit dem Grundwort -stat.

Ein Blick auf die Häufigkeitsverteilung der typischen Namen in Hessen bis zum Jahre 1200 zeigt, daß jene Typen, die große Gebiete beherrschen, auch die größte Gruppe im untersuchten Namenmaterial stellen. Das Grundwort -hausen macht mit den Nebenformen -inghausen und -sen 18 Prozent aller Siedlungsnamen aus. -bach ist mit 12,1 Prozent vertreten, -heim hat 8,6 Prozent und die genitivischen Namen liegen bei 5,4 Prozent. Ihnen folgen in der Häufigkeit -rode (5,3%), -dorf (4%), -aha (3,7%) und -stat (2,8%). Alle übrigen Namentypen sind seltener belegt.

Die in den Karten eingezeichneten hessischen Landschaften sind auf der Grundlage physisch-geografischer Zusammenhänge definiert. Es scheint für das Verständnis der Entwicklung unseres Siedlungsnamenschatzes ebenso wie für die Siedlungsgeschichte selbst bedeutungsvoll, daß die Häufigkeitsverteilung der Namen in engem Zusammenhang steht mit den natürlichen Bedingungen der Räume, in denen sie auftreten.

Die Untersuchung hat sich bemüht zu zeigen, daß auch die zeitlich begrenzte Produktivität der Namenbildungsmuster in diesem Zusammenhang ein Licht auf die Siedlungsgeschichte zu werfen vermag. Dieses entspricht im Übrigen in wesentlichen Zügen dem Bild, das sich aus der Betrachtung der Bodenfunde in Hessen ergibt (vgl. GENSEN 1979, S.14ff).

Aus der Untersuchung ergibt sich, daß - soweit es die Überlieferung erkennen läßt - die Entfaltung der Namenlandschaft im Süden beginnt. Diesem Entwicklungsschub der Zeit vor 700 n.Chr. stellte sich im neunten und zehnten Jahrhundert eine Bewegung von Norden aus entgegen. Während die erste von den -heim-Namen geprägt ist, charakterisiert das Grundwort -hausen die letztere.

Erst wesentlich später, im 12. Jahrhundert, läßt sich eine ausgedehnte Besiedlung von Vogelsberg und Rhön erkennen, deren Zeichen die genitivischen Namen sind. Ebenfalls in diese Zeit fällt die Ausdehnung der Namen auf -rode und der späten -hausen im nordöstlichen Teil des Untersuchungsgebietes.